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Michelle und die Waschmaschine – Ein klassisches Drama in fünf Akten

Damit mein ganzes Kanti-Wissen nicht einfach so in einer Ecke meines Gehirns verstaubt, habe ich mich entschieden, „Michelle und die Waschmaschine“ als klassisches Drama in fünf Akten zu erzählen. Für diejenigen unter euch, die nicht (mehr) so genau wissen, wie so ein klassisches Drama aufgebaut ist, hier eine kleine Grafik, die ich mit Hilfe meines besten Freundes Google gefunden habe:


Quelle: http://www2.leuphana.de/campusgruen/?p=366

Da eine Aufführung meines Dramas noch nicht geplant ist, habe ich hier mal den Fokus auf den Inhalt gelegt. Falls jemand das Bedürfnis verspürt, daraus ein Theatersück zu machen, sendet mir ruhig eure Vorschläge per Mail. Verfasst euer Drehbuch aber bitte im Reimschema des Trochäus.



1. Akt

Meine Vermieterin würde ich auf Französisch als „très speed“ bezeichnen, was auf Deutsch etwa so viel heisst wie „auf zack“. Sie ist das, was ich mir unter einer typischen Französin Mitte vierzig vorstelle: akkurate Frisur, schnellsprechend und so klein und zierlich, dass ich mich neben ihr so grazil wie eine Kuh fühlte. (Mein Onkel, der Bauer ist, würde jetzt argumentieren, dass Kühe dafür sehr intelligent sind, aber davon würde ich mich auch nicht besser fühlen.) Nebst dem ist sie auch noch wahnsinnig freundlich und wir haben ein wenig geplaudert.


Während wir die Inventurliste ausgefüllt und dabei jede Tasse und jeden Teller gezählt haben, habe ich mich über meine Vormieterin erkundigt. Überraschenderweise war es ein Mann. Wieso überraschend? – Nun ja, man könnte sagen, mein Apartment habe einen femininen Touch: mein Bad ist rosa mit einer sehr hübschen Ziertapete. Die Küche hat schnörkelige Wand-Tattoos, in der Ecke steht ein rosa Möbel und über dem Sofa hängt ein riesiges Rosenbild. Mein Vormieter war also „un jeun homme très sympa“ und hat ein Jahr lang hier gewohnt. Als sie mir das erzählte, konnte ich noch nicht ahnen, wie sehr ich darunter leiden würde.


2. Akt

In den ersten beiden Tagen fand ich meine Wohnung noch perfekt. Verglichen mit dem 9m2-Schuhkarton, den ich in Nizza bewohnt hatte, war das hier ein Schloss. Und es war auch noch sooo niedlich eingerichtet. Das Geheimnis des Verliebt-bleibens ist ja im Prinzip, nicht so genau hin zu schauen. Doch darin bin ich schlecht. Den ersten Schock erlitt ich, als ich zum ersten Mal Kaffee kochen wollte und mir den Wasserkocher genauer ansah. Heilige Scheisse! Da drin hatte sich eine Tropfsteinhöhle gebildet, so viele Kalkablagerungen hatte es! Und Schimmelpünktchen am Ausgusssieb komplementierten den Anblick. Wäh! Da bekam ich richtig Hühnerhaut. Ich hatte den Wasserkocher in meiner Berner WG schon verkalkt gefunden, aber das hier war ein Fall für das Gesundheitsamt. Es war ihm vermutlich während ganzen letzten Jahres nie die Idee gekommen, er könnte mal Entkalker benutzen. Wenn ich so darüber nachdenke, war ich auch in meiner WG die einzige, die glänzende Wasserhähne hinterliess, wenn ich geputzt hatte. Männern scheint das nicht so wichtig zu sein. Wir Frauen stehen da halt mehr auf glänzende Dinge… Und tatsächlich: Bei den hinterlassenen Putzmitteln befand sich kein einziges Mittelchen gegen Kalk, dafür aber ein Insektenspray, etwas mit Javel und Backofenreiniger, für den Backofen, den es hier nicht gibt.


Die verkalkten Armaturen waren schnell wieder glänzend gemacht, nur der Spa-Duschkopf bereitete mir Sorgen. (Ja, meine Dusche hat neben dem normalen Duschkopf auch noch eine riesige Brause, so luxuriös lebe ich hier.) Da war nicht nur Kalk dran, sondern auch etwas Grünes, das sich wie kleine Adern um die Düsen herum schlagen. I-GITT! Ich habe keinen Putzfimmel, aber ich kann auch nicht nackt in derselben Dusche stehen, wie eine Duschbrause mit grünen Adern. Mein erster grosser Shopping-Trip ging also nicht zur Galéries Lafayette, um mir eine klassisch-elegante, teure Handtasche zu kaufen, sondern in den nächsten Supermarkt. Ich erspare euch jetzt eine detaillierte Beschreibung der Begeisterung, die die Riesenauswahl an Putzmitteln bei mir auslöste, möchte aber trotzdem erwähnen, dass ich wieder ohne Panikattacken duschen kann.


Zufrieden mit meiner hausfraulichen Leistung – so viel hatte ich schon ewig nicht mehr geschrubbt, ich glaube, das zähle ich als Sport - wagte ich mich nun an die Königsdisziplin des Hausfrauendaseins: Wäschewaschen. Da ich seit jeher eine grosse Abneigung gegen Waschmaschinen hatte (all die Knöpfe schüchtern mich irgendwie ein), stand ich diesem Projekt am kritischsten gegenüber. Aber was will man machen, wenn einem langsam, aber sicher die sauberen Unterhosen ausgehen?

Nach intensivem Betrachten aller Knöpfe und Drehschalter (eine Gebrauchsanweisung existierte leider nicht mehr), befüllte ich also die Waschmaschine mit den Kleidungsstücken, bei denen es am wenigsten schlimm wäre, wenn sie einlaufen, sich verfärben oder zerfetzt werden würden. Ich gab ein Hypoallergenes Waschmittel dazu und schickte die Wäsche auf ihre kreisende, nasse Reise.


3. Akt

Als ich am Abend wieder nach Hause kam, roch es irgendwie merkwürdig in meiner Wohnung. Na gut, dachte ich, das kann auch noch der Tote-Fische-Geruch sein vom Supermarkt, an dem ich gerade vorbeigegangen bin, der mir noch in der Nase hängt. Mit der Wäsche schien auf den ersten Blick alles in Ordnung zu sein, wider meine Erwartungen war keine Wasserlache am Boden und auch nichts durch einen Kurzschluss in Brand gesteckt worden. (Tipp für alle, die oft enttäuscht werden: Wenn man vom Schlimmsten ausgeht, wird man meistens positiv überrascht.) Irgendwie schaffte ich es, die Wäsche ohne Wäschekorb ins Badezimmer zu befördern und ich begann sie aufzuhängen. Während dem Aufhängen stieg mir wieder dieser komische Geruch in die Nase. Das mussten vermutlich die Rohre sein, meine Wäsche war ja frisch gewaschen.


Am späteren Abend stank dann mein ganzes Badezimmer nach… Moder und Schimmel. Nett. Ich rang mich doch dazu durch, an meiner Wäsche zu schnüffeln. Grosser Fehler. Meine ganze FRISCH GEWASCHENE Wäsche roch schimmlig! Mein erster Gedanke war: Es muss am hypoallergenen Waschmittel liegen, da fehlt das Parfüm, das kann nicht gut riechen. Ha, schön wärs! Mein Waschmittel riecht super.

Also steckte ich meinen Kopf in die Waschmaschine – und erstickte fast. Da war der neue Geruch meiner Kleider, nur viel, viel stärker. Jackpot! Eine stinkende Waschmaschine, die deine dreckigen Kleider in stinkige Kleider verwandelt. Super. Was will man mehr?!


Der „jeune homme“, der vor mir hier gelebt hatte, wusste also nicht nur nicht, wie man Entkalker verwendet, sondern er hat auch zugelassen, dass sich die Waschmaschine langsam in eine stinkige Dreckschleuder verwandelt. Ich war verzweifelt und wütend auf einen unbekannten Mann.


4. Akt

Was tut die moderne Frau, wenn ihre Waschmaschine stinkt? – Genau, sie ruft ihre Mutter an. (Mit meinem Handyabo von Free kann ich zum Glück gratis ins Schweizer Festnetz anrufen) Zusammen mit Mama und Google erstellte ich einen 5-Schritte-Plan zur Beseitigung des Gestanks:


1. Waschmaschine leer bei 95°C laufen lassen, damit sie sich reinigen kann. – brachte genau gar nichts.


2. Die Waschmittelschublade und die Maschine selbst mit Waschmaschinenreiniger behandeln. – die Waschmaschine sieht jetzt wieder etwas schöner aus, stinkt aber immer noch zum Himmel.


3. Die Gummidichtungen reinigen. – OMG. Was da in den Gummifalten hervor kam, war so grauenhaft, es wird mich in meinen Träumen verfolgen! Das Grauen liess sich aber nicht vollständig entfernen und der Geruch blieb auch.


4. Das Flusensieb reinigen. Falls man es findet. – Wieder half mir mein Freund Google, diesmal im Internet die Betriebsanleitung der Waschmaschine zu finden, weil ich einfach kein Flusensieb finden konnte. Anscheinend war der unterste Teil der Front abmontierbar, wenn man einen Schraubenzieher und viel Gewalt anwendete. Das Flusensieb war sauber, die Waschmaschine stinkt immer noch.


Nun, da ich all meine Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, blieb nur noch Schritt 5 übrig:


5. Ausrasten, fluchen, die Waschmaschine schlagen und meine Mama per WhatsApp über mein Versagen und die beschissene, verfluchte, scheiss Schrottmaschine zu informieren.


Aber da das hier nicht der letzte Akt ist und die Katastrophe noch nicht komplett eingetreten ist, kann ich hier nicht aufgeben und fortan einfach immer neue Kleidung kaufen, statt alte zu waschen. Nein, es muss noch etwas passieren, denn eine Heldin gibt nie schon im vierten Akt auf. Und so werde ich nun meiner Vermieterin mein Leid in einer E-Mail klagen und sie darum bitten, mir einen Mechaniker vorbei zu schicken und mir doch gleich auch noch einen neuen Wasserkocher zu besorgen, denn ab nächsten Dienstag habe ich einen Job und muss dort wach antreten. Und wie ihr alle wisst, komme ich öfters mal zu spät und die zwei Minuten Zeit, die ich am Morgen gewinne, wenn das Wasser im Wasserkocher heiss wird statt in der Pfanne, könnten entscheiden für meine Pünktlichkeit sein.

Wünscht mir Glück für den 5. Akt, denn diesen werde ich erst noch erleben.


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